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K

 

Kadenz [von Leopold Mozart] Bei der Kadenz, die eine Viertelstunde dauerte, erschrak ich, in wirklichem Ernst, und glaubte, das Mädl wäre närrisch geworden. Es war erschrecklich.

 

Kalb, Friedrich Theodor  1878-1883 Kantor in Groitzsch.

 

Kantoren [von M. H. Fuhrmann, 1706] Es taugen oft die Kantoren nicht, weder in der Schule noch in der Kirche. Etliche sind in der Information zu diffus, andere zu konfus. Alle sind zwar didascali, aber wenige didactici und sollten vielmals erst zuvor selbst lernen, ehe sie andere lehren wollten. Die meisten sind halb gelehrte Theoretiker, mittelmäßige Praktiker, aber die wenigsten gelehrte Poetici. Es ist mit allen Dingen gut scherzen, aber nicht mit der Wahrheit. Es haben unter anderem viele Kantoren mit Schuld, dass die Musik bisher bei uns Deutschen auf Krücken gewandert, da sie in Italien mit rehschnellen Füßen geflohen, weil diese oft in ihrer Jugend in Musica Theoretica nichts Solides getan, in Practica stolpern und von der Musica Poetica so viel als ein Papagei verstehen. Et quod quis non habet, alteri dare non potest.

Soll ein solcher Simplicius eine Kirchenmusik machen, so macht er entweder aus den alten Patribus Musicis ein verdrießliches Geleier oder leiert von den neueren Autoribus quid pro quo daher, hält keinen selectum, weil der den Spiritum discretionis nicht hat, die musikalischen Geister zu prüfen, ob ihre Kompositionen närrisch oder klug, profan oder andächtig, theatralisch oder christerbaulich, verdrießlich oder lieblich klingen, wodurch ein solcher Saalbader die edle Musik hässlich prostituiert, insonderheit wenn der Organist und Kunstpfeifer (die Nulli spielen alles gerade weg wie eine Wassersuppe ohne Salz und Schmalz) so klug als der Kantor, und der erste anstatt des Generalbasses einen Jammeralbass dazu spielt, und der andere auch nicht was nutz streicht, und der dritte albern dirigiert; hier sage ich, muss notwendig die keusche Musik zur Hure gemacht und an den Pranger der Verachtung gestellt werden. Ein solcher Kantor und Organist sind bei mir so vortreffliche Musiker als der Mopsus und Menaicas bei Vergil, da der eine nach seiner Meinung gut flöten und der andere gut singen konnte.

Ein Kantor muss nicht nur fremden Schweiß musizieren, sondern auch wie eine Spinne aus sich selbst ein musikalisches Gewebe verfertigen können, wo nicht, so ist er ein Schmadderkätzchen; Schaum ist nicht Bier und ein Eiszapfen kein Kristall. Ich glaube, es wird mancher kleinstädtischer Kantor über diese Worte vor Unmut eine rote Nase bekommen. Allein liebe Herren, verdrießt euch etwa, dass ich euch die liebe nackte Wahrheit vorfiguriere, so wisset, dass es mich auch verdrossen, dass eurethalben die edle Musik als meine Blutsfreundin (wer die aber prostituiert, der tastet meinen Augapfel an) unter den Leuten oft gelästert und geschändet wird. Ihr habt keine Ursache, die noble Musik zu deformieren. Ihr habt den musikalischen Karren sehr tief in den Kot der Verachtung gefahren.

 

Karajan, Emanuel Ritter von 1919: k.u.k. Hof-Baurat an der Hofoper Wien.

 

Karajan, Herbert von Schüler von Paumgartner.

 

Katzenarie [von Leopold Mozart] enthalten in "Das Urianische Schloss", von Schikaneder selbst zusammengeschmiert.

 

Kehlkopf (1) [von Lilli Lehmann] Der tiefen Stellung des Kehlkopfs kann man sich durch Aussprechen des Vokals u, der erhöhten durch Aussprechen der Vokale e und i versichern. Der Gedanke allein an einen oder den anderen Vokal genügt immer, Kehlkopf, Zunge und Gaumen in die rechte Lage zueinander zu bringen. Wenn ich in höhere Lagen hinaufsinge, habe ich das deutliche Gefühl eines Höherrückens und Querstellens des Kehlkopfs durch die Zunge, was aber nur ein Engerstellen der Organe zueinander und eine erhöhte weichere Stellung des Zungenrückens sowie ein Tiefersinken oder Erweichen des ganzen Kehlkopfs bedeutet. Trotzdem verstärkt sich die Energie der Spannungen von Kopf bis Fuß. - Die Bewegung ist natürlich minimal. Jedenfalls habe ich ein Gefühl im Halse, als dehne sich alles darin in die Länge.

(2) [von Georg Avellis, 1906] Die Ventrikelform beim Sängerkehlkopf. - Nachdem ich auf der 7. Versammlung der süddeutschen Laryngologen zu Heidelberg (1900) gelegentlich eines Referates über Stimmhygiene erwähnt habe, dass ich bei allen Sängern und Gesangsschülern einen auffällig wohlgebauten und weiten Eingang in den Ventriculus Morgagni gefunden hätte, derart dass nicht bloß der membranöse weiße, sondern auch (speziell bei der von mir angegebenen schiefen Kopfhaltung) der übrige bläulichrote Teil der Stimmlippe, d.h. fast der ganze Boden des Ventrikels im Spiegel sichtbar wird, habe ich nicht aufgehört, auf diesen Punkt zu achten. Nachdem ich nun mehr als 150 Mal im Laufe der letzten 10 Jahre diese Beobachtung konstant verifizieren konnte, möchte ich ihr doch vor den Fachkollegen einige Bemerkungen widmen, die ihnen zu weiteren Fragestellungen Anregung geben könnten. Die Tatsache eines weiten Ventrikels bei dem fast immer im Ganzen wohlgeformten Sängerkehlkopfe, dessen Begrenzungen in schön geschwungenen scharfen Konturen auf das Laryngologenauge einen harmonischen Eindruck hervorrufen, ist durch die so vielfach wiederholte Prüfung für mich als feststehend zu betrachten. Gesprächsweise erzählte mir Herr Kollege O. Wild in Zürich, dass er ganz die gleichen Wahrnehmungen gemacht habe und meine Feststellung bestätigen könne.

Wer auf diese Kleinigkeit Acht gibt, wird bald selbst, wie ich, in die Lage kommen, dass er Leute, bei denen eine Gesangsleistung nicht zu vermuten war, z.B. bei Arbeitern, Bauernfrauen, Geschäftsreisenden etc., durch den Anblick der weiten Rima ventriculi in einem wohlgeformten Kehlkopfe sich veranlasst sieht, zu befragen, ob sie Singstimme haben oder gehabt hätten, und bei dieser Gelegenheit sehr oft zu hören bekommt, sie seien gute Sänger gewesen ("sogar erster Tenor im Gesangverein"), könnten in der Kirche gut mitsingen etc.

Die Richtigkeit der Beobachtung vorausgesetzt, wäre nun zuerst die Vorfrage zu erledigen: Ist die Weite der Rima ventriculi eine Folge des Singens oder natürliche Vorbedingung für Kunstgesang? Ich fand die weite Rima 1. bei Leuten, die nur wenig im Leben gesungen haben (so z.B. bei Landleuten, die niemals Unterricht genossen hatten und deren Leistungen sich nur auf das Singen der Kirchenlieder beschränkten, so dass man hier von einer Arbeitsmarke, d.h. also einer Folge des Singens, unmöglich sprechen kann; 2. bei jungen Mädchen und Jünglingen, die sich mir zur "gesangsärztlichen" Prüfung vorstellten, ehe sie mit dem Konservatoriumsbesuch beginnen wollten, also auch hier vor dem Beginn erheblicher Gesangsstudien.

Aus diesen Gründen vermute ich, dass die Weite des Ventrikels eine angeborene Anlage ist, wobei ich aber nicht in Abrede stellen will, dass sie gerade durch die Gesangsstudien infolge der durch Arbeitshypertrophie erstarkenden Partien des Musculus ventricularis, den Zuckerkandl Cricothyreo-aryt. nennt, verstärkt werden kann.

An diese kleine Beobachtung lassen sich eine Reihe interessanter Tatsachen und physiologischer Fragen anschließen, von denen ich hier nur einige kurz berühren will.

Die Konstanz der weiten Rima ventriculi bei gesangstüchtigen Menschen weist wohl darauf hin, dass die Ventrikelgröße zu der Gesangsproduktion in einem physiologischen Abhängigkeitsverhältnis steht. Zunächst kann man ja daran denken, dass die Luftsäcke der Affen einem vergrößerten Appendix des menschlichen Ventrikels entsprechen. Durch die sehr gründliche Arbeit von Edmund Meyer aber (Arch. f. Lar. XII) sind wir belehrt, dass die Weichheit der Wandungen der Affenluftsäcke sie zu Resonatoren wenig geeignet macht, dass die oft riesige Größe der Säcke, die erst im späteren Lebensalter sich bilden und bei nervösen Erregungen der Tiere, nicht oder nicht allein beim Schreien, aufgeblasen werden, wohl eher Schreckmittel als Stimmverstärker sind und dazu dienen, den Feind durch den absonderlichen Anblick, den die absichtlich verdrehten Augen noch unterstützen, einzuschüchtern.

Immerhin könnte beim Menschen bei bestehender Veranlagung eines Kehlkopfdivertikels durch forcierte Exspirationen (Anstrengungen der Stimme) eine Vergrößerung desselben bis zu einer Laryngozele begünstigt werden. So meinte wenigstens schon Larrey im Jahre 1829. Diese Theorie ist aber durch eine tatsächliche Beobachtung niemals unterstützt worden. Speziell ist weder mir noch irgendeinem Laryngologen in der Welt ein Fall bekannt geworden, wo bei einem Sänger infolge Berufstätigkeit eine Vergrößerung des Ventrikelappendix zu einer Laryngozele sich ausgebildet hätte.

Wir können also ruhig darauf verzichten, aus der vergleichenden Physiologie mit dem Affenkehlkopf irgendwelche begründeten Schlüsse in dieser Hinsicht zu ziehen.

Nur eins möchte ich bemerken: Ebenso wenig, wie sich die Ausbildung der Ventrikelluftsäcke beim jungen Affen findet, habe ich bei Kindern vor der Mutation einen auffällig großen Ventrikeleingang durch den Spiegel feststellen können. Anatomische Untersuchungen habe ich freilich nicht machen können. Erst nach der Mutationszeit konnte ich einen charakteristischen Sängerventrikel konstatieren.

Eine pathologische Verkleinerung eines ursprünglich groß angelegten Sängerventrikels habe ich zweimal beobachtet. Der erste Fall war ein seit Jahren schon verstorbenes Mitglied der hiesigen Oper, Bassist, der eine weiche Erschlaffung des linken Taschenbandes derart zeigte, dass sich das vordere Drittel des Ventrikeleingangs bis auf einen feinen Spalt verengt erwies. Zeitweise vergrößerte sich die Verdickung des Taschenbandes. In dieser Periode klagte der Sänger sehr über rasche Ermüdung der Stimme und zeigte, obwohl er nur zweite Partien sang, eine schwer zu überwindende Angst bei jedem Auftreten. Die Stimme klang mühsam und gequetscht. Die Anomalie bestand wohl ein Dutzend Jahre, so dass der Sänger ein ständiger Gast vieler hiesiger Halsärzte blieb.

Bei einem anderen Bassisten entstand durch katarrhalische Reize, zweimal auch durch eine Attacke von Heuschnupfen, eine sich auf Taschenbänder und Ventrikel erstreckende entzündliche Auflockerung, die eine Gesangsleistung für 1-2 Wochen bei normalen Stimmbändern unmöglich machte. Beim Coup de glotte legten sich die Taschenbänder in zwei Drittel ihrer Länge aneinander, so dass die Stimmbänder ganz zugedeckt waren, beim hauchenden Einsatz klang der Stimmton mühsam, leise und dumpf.

Bei einem phthisisch gewordenen Tenor fand ich im Jahre 1904 einen tuberkulösen Tumor im rechten Ventrikel, der die Gesangstimme ruiniert hat. Die Stimmbänder waren frei, der rechte Ventrikel aber zu einem Drittel vorn ausgefüllt. Die operative Entfernung des tuberkulösen Tumors brachte den vermuteten und erwarteten Nutzen für die Stimme nicht, da der allgemeine Prozess derart zunahm, dass an eine Ausnutzung der Stimme nicht mehr gedacht werden konnte.

Ich habe auch die Form des Ventrikeleingangs beim Hoch- und Tiefstand des Kehlkopfes untersucht. Bekanntlich besteht über die Tatsache kein Zweifel, dass gut ausgebildete Berufssänger ihren Kehlkopf beim Singen ruhig halten und ihn nicht, wie natürliche Veranlagung zur Mitbewegung will, beim Hinaufgehen in der Tonskala mit steigen lassen. Sänger, viel weniger oft Sängerinnen, stellen den Kehlkopf absichtlich tief (wie beim Gähnen) und lassen ihn in allen Tonlagen, speziell bei der Höhe, in der tiefen Stellung im Jugulum stehen.

Gefunden ist diese Stellung auf empirischem Wege. J. Stockhausen erzählte mir, dass, wenn er den Vokal "u" sänge (wobei der Kehlkopf am tiefsten steht!), der Klang ein besonders sonorer bei ihm selbst wäre. Aus diesem zufälligen Befunde leitete er die Festhaltung der tiefen Kehlkopfstellung ab. Ich selbst glaube, dass die dadurch erzielte Verlängerung des Ansatzrohres von großem Nutzen für die Tragfähigkeit und Voluminosität des Tones ist (Hellat meint, dass die Verlängerung des Ansatzrohres um 2-3 cm zu unbedeutend sei, um die Tonqualität zu verändern), nach der Analogie, dass auch bei der Trompete (Tuba oder gewundenem Horn) das Ansatzrohr möglichst lang gebaut werden muss, um die richtige Zahl von Obertönen und die gewünschte Qualität des Tones erzielen zu können. Es spielen aber bei diesen feinen Dingen noch eine ganze Reihe anderer Faktoren eine Rolle. Zunächst wird durch ein Aufsteigenlassen des Kehlkopfes das Zungenbein gegen den Zungengrund gepresst und damit die sonst erwünschte freielastische Aufhängung des Kehlkopfes aufgehoben und das freie Spiel der äußeren Kehlkopfmuskeln inklusive des Pharyngolaryngeus beschädigt, ferner die Epiglottis nach hinten abgelenkt, der Tonstrom verlegt und verengt, der Mundboden verhärtet und der Zungengrund gehoben etc.

Ferner wird für die Brustresonanz durch ein Hochsteigen des Kehlkopfes, das eine Verengerung des Tracheallumens und Entfernung des Schallerzeugers bewirkt, die Bedingung zur Reflexion der Schallwellen zwischen Unterseite der Stimmbänder und der Brustluft verschlechtert. Beim Tiefstand des Kehlkopfes ist die Trachea erweitert und der schallgebende Apparat steht dem Resonator (der Brust) viel näher.

Endlich gelang es mir, bei Berufssängern zu konstatieren: Lassen sie auf meinen Wunsch willkürlich den Kehlkopf ansteigen, so scheint die Rima in dem Durchmesser von oben nach unten enger, nur darf man sich über diesen Effekt nicht täuschen lassen, weil bei dem hohen Ton und der Aufrichtung des Kehldeckels die Stimmbänder prachtvoll sichtbar werden und man auch einen schrägen Blick in den Boden des Ventrikels tun kann. Lassen sie den Kehlkopf fallen, so senkt sich der ganze Zungenbein-Kehlkopfkomplex, der Deckel legt sich nach hinten, die Stimmbänder sind meist nur zur Hälfte oder zu zwei Dritteln sichtbar, die Rima ventriculi aber weit offen, erwiesen sich für solche Versuche wenig geeignet, da sie zu leicht störende Mitbewegungen machten.

Ich habe im Laufe der Jahre die Überzeugung gewonnen, dass das Mundstück im Kehlkopf (nach Analogie mit dem Trompetenansatz) eine viel wichtigere Rolle spielt, als man bisher annehmen konnte, und dass die empirisch gefundene tiefe Kehlkopfstellung, an der der Berufssänger festhalten muss, von günstigem Einfluss auf die Gestaltung des Ventrikels und damit auf die Form des Mundstückes ist, bei der die Stimmlippenbewegungen am besten sich einpassen und am wenigsten in ihren freien Schwingungen behindert sind.

Es hat sich durch die Praxis herausgestellt, dass das Mundstück bei den Trompeten, Posaunen, Hörnern eine bestimmte Form und Größe haben muss. Ich habe einen Musiker veranlasst, zu probieren, ob er wesentlich in der Tonerzeugung behindert ist, wenn das Mundstück zu klein genommen oder verborgen wird. Wenn nun auch der Musiker sofort erklärte, dass es bei verändertem Mundstück nicht gut ginge, so kann ich daraus keine großen Schlüsse ziehen, weil Gewöhnung und Übung hierbei eine wichtige Rolle spielen und ich es überhaupt für eine komische Beckmesserei halte, mit unseren plumpen und armseligen Experimenten die Theorie oder Physiologie einer rein menschlichen Kunst restlos erklären zu wollen. Wir können nichts anderes, als bescheiden den empirisch gefundenen Gebrauch der Singlehre mit dem vorurteilslosen Auge des physiologischen Mediziners beobachten und zu versuchen, uns den Nutzen korrekt ausgeübter Technik klar zu machen, damit wir bei Störungen der Gesangstimme dort einzusetzen wissen, wo die Funktionsanomalie wirklich sitzt und nicht an einem beliebig gewählten oder leicht zugänglichen Punkt in der Nase, am Zungengrunde etc. unnütze Vielgeschäftigkeit entwickeln.

Die Weite des Ventrikels hängt nicht bloß von seiner natürlichen Form ab, sondern kann auch durch die Muskulatur verändert und adaptiert werden.

Zuckerkandl und Killian haben bei je einem Sängerkehlkopf den Musc. cricothyreo-arytaen., der die Bündel anderer Autoren (crico-arytaen. lateral., thyreo-aryt. sup. und inf. und thyreo-epigl, und ventricularis) umfasst (siehe Abbildung S. 90, Handb. f. Laryngol.), besonders differenziert und stark ausgebildet gefunden; ja Zuckerkandl meint, dass die oberflächliche Schicht dieses Muskels völlig neugebildete Elemente enthielt, da diese den sonst frei gelegenen N. lar. inf. ganz verdeckt. Diese Muskeln, die auch mechanisch mit dem Stimmbandmuskel und dem Arytaenoideus verbunden sind, wirken als Glottissphinkter gemeinsam. Zuckerkandl meint, dass die besonders gute und differenzierte Ausbildung des Thyreo-aryt. beim Sänger die Wandung des Vestibulum laryngis in Spannung setzen kann, sie schwingungsfähiger machen dürfte. Einzelne Bündel dieses Muskels umschließen die laterale Wand des Ventrikels und verlaufen im Taschenband. Wird durch die Aktion dieser Muskelfasern das weiche unelastische Taschenband bei der Erzeugung des Gesangstones gespannt, so wirkt der Ventrikel als geeignetes, fest elastisches, die Luftwelle formendes und gut reflektierendes Mundstück und begünstigt dadurch die Gesangsleistung. Fehlen diese Fasern oder ist der Eingang in den Ventrikel sehr schmal, so ist der Weg für die Luftwelle verengt, die weiche schlaffe Falte erstickt einen Teil der für die Gesangsproduktion wichtigen Schallwellen (Obertöne).

Wer sich den Unterschied eines für Gesang ungeeigneten Ventrikels und eines Sängerventrikels klar machen will, der betrachte sich einen Frontalschnitt eines toten Larynx (oder die Abbildung davon im Handb. f. Lar., Bd. I, S. 96 u. 97) und dessen Rima ventricularis und daneben den Ventrikeleingang und die gewölbte Decke des Taschenbandes bei einem gut durchgebildeten Berufssänger. Wenn man sich einmal gewöhnt hat, auf diese Kleinigkeit zu achten, wird man sie auch sicher ständig wiederfinden und bestätigen können.

(3) [von Hr. Bumba, 1925] Zur Untersuchung des Säuglingskehlkopfes. - Die indirekte Untersuchung des Säuglingskehlkopfes bereitete dem Larnygologen seit jeher mehr oder weniger große Schwierigkeiten. Die Diagnostik der Affektionen des Säuglingskehlkopfes war deshalb bisher fast immer auf die direkte Laryngoskopie mittels der verschiedenen Autoskope oder Schwebevorrichtungen angewiesen, und das hatte gewisse wesentliche Nachteile. Betont doch schon Brünings, wohl der hervorragendste Autoskopiker, in seinem Lehrbuch der Bronchoskopie die Schwierigkeiten, die sich bei der Autoskopie kleiner Kinder ergeben. Zunächst wird infolge der Kleinheit der Verhältnisse der Autoskopie durch das Alter des Kindes selbst eine Grenze nach unten gesetzt, denn Kinder unter 1 Jahr lassen sich, auch wenn man die Technik noch so gut beherrscht, nur in den allerseltensten Fällen autoskopieren, und zwar auch nur so, dass man den Spatel des Autoskopes am Zungengrund in den Valleculae einhakte. Wenn man eine größere Anzahl von Säuglingsepiglottitiden gesehen hat, so findet man dies auch vollkommen begreiflich. Denn das allerfeinste und kleinste Spatel, das man besitzt, ist im Verhältnis zu der ungemein zarten und kleinen Epiglottis eines Säuglings kolossal plump und grob, und ein Einhaken hinter derselben schon technisch schlechterdings unmöglich. Aber abgesehen davon ist eine solche Untersuchung, wenn sie auch zum gewünschten Ziele geführt hat, für den untersuchten Säugling ein starkes Trauma gewesen, und Schleimhauteinrisse und sonstige Verletzungen waren trotz aller aufgebotenen Vorsicht oft nicht zu vermeiden. Außerdem muss eine solche Autoskopie meist immer in Narkose vorgenommen werden, was auch eine nicht unbedeutende Erschwerung bedeutet.

Um diesen Übelständen abzuhelfen, habe ich versucht, die Untersuchung so durchzuführen, dass sie diese Schwierigkeiten überwindet, technisch leicht durchzuführen ist, für den Untersuchten keine so große Belästigung bedeutet wie die Autoskopie und diagnostisch doch gute Resultate liefert.

Die erste Schwierigkeit, die sich bei der Untersuchung des Säuglingskehlkopfes ergibt, bildet das Erfassen und Hervorziehen der kleinen Zunge. Und diese Schwierigkeit wird dadurch um so größer, dass bei einer recht beträchtlichen Prozentzahl von Säuglingen das Frenulum linguae fast bis oder bis ganz an die Zungenspitze reicht. Außerdem verdeckt man sich, wenn es schon gelingt, die Zungenspitze mit Daumen und Zeigefinger zu fassen, mit der eigenen Hand die ganze kleine Mundöffnung des Patienten und damit das Gesichtsfeld. Um das zu verhindern, bediente ich mich zunächst der Esmarchschen Zungenzange, mit der ich die Zunge an der Spitze fasste und vorzog. Mit der anderen (rechten) Hand wird ein mittelgroßer Kehlkopfspiegel eingeführt und gegen Uvula und weichen Gaumen gedrückt. Vor dem Auslösen von Reflexen muss man sich nicht so fürchten, da dieselben, je jünger das Kind, um so schwerer auslösbar sind. Das Kind wird natürlich, durch den von der Zange an der Zunge verursachten Schmerz veranlasst, zu schreien beginnen. Hier müssen wir nun Kinder unterscheiden, deren Schreien mehr an den Vokal a und o anklingt und solche, die mehr im Vokal e und i schreien. Bei letzteren sehen wir dann während des Schreiens, weil sich die Epiglottis dabei aufrichtet, sofort in den Kehlkopf, bei den anderen warten wir einen auf intensives Schreien immer folgenden, tiefen Atemzug ab, um einen Einblick in den Larynx zu bekommen. Dies alles aber nur, sofern uns das zweite hindernde Moment, nämlich der Speichelfluss des Kindes, den Einblick nicht wehrt. Geringere Mengen von Speichel brauchen nicht zu irritieren, denn sie verschwinden bei jedem tiefen Atemzug mit dem Luftstrom in der Trachea und geben den Einblick in den Kehlkopf für kurze Zeit frei, jedenfalls genügend lang, um eventuelle pathologische Veränderungen feststellen zu können. Ist die Sekretion aber eine sehr starke und gesellen sich noch ausgehusteter Schleim oder erbrochene Speisereste hinzu, dann muss man die Speichelpumpe in Tätigkeit setzen. Um diese dirigieren zu können, muss man allerdings die Zange loslassen und, in der einen Hand den Spiegel, in der andern das abgebogene Pumpenrohr, arbeiten. Da passiert es nun, dass ein etwas größeres Kind mit schon stärkerer Zungenmuskulatur die Zunge samt der daran festgeklemmten Zange nach rückwärts zieht und uns auf diese Weise wieder am Einblick in den Kehlkopf hindert. Aus diesem Grunde und auch deswegen, weil ich mit der Esmarchschen Zange manchmal leichte Verletzungen am Frenulum gesehen habe, speziell wenn dasselbe etwas weiter nach vorne reichte, sah ich mich veranlasst, Zangen zu konstruieren, die erstens infolge ihrer Schwere ein Zurückziehen unmöglich machten und zweitens durch ihren gabelförmigen Bau ein Einklemmen des Frenulums umgehen ließen. Je nach dem Alter des zu untersuchenden Kindes wählt man eine leichtere oder schwerere Zange, klemmt sie an der Zunge fest und lässt sie frei herunterhängen; dadurch hat man dann beide Hände für die übrigen Manipulationen frei. Die Zangen, die ich Ihnen hier demonstriere, sind noch lange nicht in dem Zustand, um sie Ihnen als vollkommen hinstellen zu können.

Um ein Ziehen an der Speichelpumpe durch die Assistenz unmöglich zu machen, ließ ich mir eine Armmanschette anfertigen, die am Oberarm angeschnallt wird und den Glasballon der Pumpe trägt. Die Assistenz hat dann weiter nichts zu tun, als mit dem Gummiballon die Pumpe in Tätigkeit zu setzen, das Rohr führe ich, wie gesagt, selbst. Im Notfall kann man die Speichelpumpe auch vollständig allein bedienen, indem man sich den Gummiballon unter die Achselhöhle klemmt und durch Druck des Oberarmes gegen den Körper in Funktion setzt.

Die Leistungsfähigkeit des eben geschilderten Vorgehens ist eine ziemlich hohe. Von 55 auf diese Weise untersuchten Säuglingen und Kleinkindern bis zum 3. Lebensjahre gelang nur in 8 Fällen der Einblick in den Larynx nicht.

Ich glaube demnach, dass die eben erörterten Kunstgriffe vielleicht geeignet sind oder sein werden, in der Diagnostik der Erkrankungen des Säuglingskehlkopfes als Hilfsmittel zu dienen. In Anbetracht des Umstandes, dass diese Untersuchung jederzeit, ohne Anwendung irgendwelcher Anästhetika oder einer Narkose durchgeführt werden kann, wird sie vielleicht auch zur Aufhellung einiger noch offener Fragen der Physiologie und funktionellen Störungen des Säuglingskehlkopfes beizutragen vermögen. In dem von mir untersuchten Material befanden sich auch 4 Säuglinge mit kongenitalem Stridor. Bei allen vieren konnte ich den Mechanismus des stridorösen Atmens genau beobachten, kann mich aber wegen der Kürze der Zeit heute auf nähere Ausführungen darüber nicht einlassen, sondern muss dieselben einer späteren Publikation überlassen.

 

Kirchenmusiker [von Johann Mattheson] Dass man die Vorgesetzten einer Kirchenmusik nur so dürr weg Taktprügler nennt, das dürfte die Fehler der Erziehung und des Willens schwerlich bessern.

 

Kipnis, Alexander [von Maximilian Hörberg 12.09.2008] Er wurde ausgebildet von Ernst Grenzebach (Lehrer u.a. von Peter Anders, Max Lorenz und Lauritz Melchior). Dieser geht über Alexander Heinemann, Jenny Meyer, Julius Stern und Miksch auf die berühmte Schule des Bernacchi von Bologna zurück.

 

Kirchenarien [von Tosi, 1723] Befindet aber der Meister wirklich, dass er nach vollendeten bisherigen Lektionen noch Fähigkeit genug übrig hat, dem Schüler wichtigere Dinge, die zu seinem ferneren Wachstum gereichen, beizubringen, so muss er denselben sofort zu Kirchenarien anführen, in welchen man allen theatralischen und weibischen Schmuck beiseite setzen und als ein Mann singen muss.

 

Kirchenmusik-Zeitung Beiblatt der "Neuen Musikalischen Presse". Officielles Organ des Wiener Chorregenten-Pensions-Vereines.

 

Klarheit der Stimme  Diese ist abhängig vom Öffnen des Mundes nach den Regeln der Kunst.

 

Klein, Herman  1856-1934. Schüler von Manuel Garcia d.J.

 

Kohut, Adolf  1848-1917.

 

Kohut-Mannstein, Elisabeth  Sopran, *03.05.1843 Dresden, † 29.11.1926 Berlin.

 

Koloraturen [von Ferdinand Sieber] 1) Ist die Kehlfertigkeit denn ein notwendiges Erfordernis für den Sänger? Ganz gewiß! Man hat das Recht, vom Gesangskünstler eine vollständige Beherrschung seiner Stimmmittel, auch nach der Seite der Geläufigkeit und Fertigkeit hin, zu beanspruchen, wie man ja beim Klavierspieler, Violinisten und jedem andern Instrumentalisten eine Meisterschaft in Überwindung aller technischen Schwierigkeiten stillschweigend voraussetzt, wenn derselbe für einen durchbildeten Künstler angesehen sein will. 2) Kann sich der Sänger nicht aus freier Wahl auf die Ausübung des getragenen Gesanges beschränken, da doch die Kehlfertigkeit nicht der Zweck seiner Studien sein soll? In der Tat ist die technische Fertigkeit niemals als letzter Endzweck, sondern nur als Mittel zum Zweck, als ein notwendiges Erfordernis anzusehen, da ihr Besitz uns allein in den Stand setzt, den Ansprüchen gerecht zu werden, welche nicht allein die italienischen Meister - denn hier könnte es allerdings dem Ermessen des Deutschen anheimgestellt bleiben, ob er sich an die Ausführung italienischer Arien usw. machen will, oder nicht - nein, auch unsere besten deutschen Komponisten an die Geschicklichkeit des Sängers in dieser Beziehung stellen. 3) Vermag sich ein jeder Sänger durch Studium in den Besitz einer bedeutenden Kehlfertigkeit zu setzen?  Bis auf einen gewissen Grad kann und muss jeder Sänger auf dem Gebiete der Koloratur zu Hause, d.h. ihrer mächtig sein, da sich einmal Doppelschläge, Läufe und Triller in den Werken unserer deutschen Klassiker, selbst in den getragenen Kantilenen in Menge vorfinden, anderseits aber das Studium der Kehlfertigkeit auch von unberechenbarem Nutzen für die Tonbehandlung in langsamen getragenen Tonfolgen ist, weil es die zarteste Biegung und Nüancierung der Stimme ermöglicht. Das Feld der eigentlichen Bravourarie, in welcher die Fertigkeit freilich oft zur Hauptsache wird, mag natürlich denjenigen Sängern und Sängerinnen überlassen bleiben, die von Natur viel Anlage und Leichtigkeit für die Ausführung schneller Passagen, Triller usw. mitbringen und - Geschmack daran finden.

 

Komponisten [von Johann Mattheson 1739] Die alten Deutschen pflegten zu sagen, man könne es einer Sau gleich anmerken, wenn sie sich einmal an einer Schulwand gerieben hat. So auch kann man bald sehen, ob ein Komponist singen könne, oder nicht.

 

Konsonanten [von Lilli Lehmann] Klingende und getrennte Konsonanten. - K l m n p r s t müssen am Ende eines Wortes oder einer Silbe klingend gemacht werden, indem man ihnen nach Beendigung von Wort oder Silbe noch ein ziemlich deutliches e anhängt, z.B. Wandele, Gretele usw.

Was heut keiner mehr lehrt, kennt, noch kann, was Betz und ich allein noch wussten und mit mir wahrscheinlich ganz verschwinden dürfte, ist das unter gewissen Bedingungen zu erfolgende Teilen und Schließen der Silben. Es mag aus der italienischen Schule stammen.

Man lehrte es mich besonders auf Doppelkonsonanten. Wo zwei zusammentrafen, trennte man sie, indem man den ersten Mittelkonsonant, z.B. in Him-mel stumpf klanglos machte, Silbe und Ton möglichst nasal anhielt, die Lippen schloss, eine Pause zwischen beiden Silben eintreten ließ und dann erst die zweite Silbe mit erneutem Aussprechen des zweiten Konsonanten einsetzte.

Und nicht nur bei zwei gleichen, sondern überall, wo zwei Konsonanten zusammentreffend die Silbe abschließen, z.B. Win-ter, dring-en, kling-en, bin-den. Dabei ist das Nasale noch ganz besonders beteiligt. Vor P und T wird eine stumme Formpause geschaffen, weil sich bei P die Lippen - man kann keinen Vokal dazu mischen - erst ganz fest aneinanderpressen müssen, um mit Bauch- und Brustmuskeln das P sowohl als das T - das wieder mit der Zungenspitze sehr scharf gegen den harten Gaumen über den Oberzähnen vorbereitet sein muss - auszustoßen. Auch das M gehört teilweise dazu, weil es derselben Muskeln zur Aussprache bedarf, obwohl man diesem schon einen helleren Schatten von Vokalfarben zulegen darf. N wie ene, r wie errrrre sehr weich das einfache s wie ssss gesummt; sch gefaucht wie sch-e, mit eng-gestelltem Mund, bei dessen Aussprache viel direkter Atem auslaufen kann. - Bei ch wie echt wird die Klemmung von Zunge und Gaumen sehr weit vorne mit e und i gestellt; bei dunkeln Vokalverbindungen, wie: doch, flucht, Dach, weiter hinten mit erhöhtem U-Gaumen und weit nach hinten am Gaumen mit geklemmten Zungenrücken gesprochen. Kommt aber vor dem ch bei dunklen Vokalen, wie: durch, Storch, Furcht, noch ein anderer Konsonant zu stehen, so rangiert er in die helle vordere Aussprache. K wird wie ke, l wie ele behandelt.

Unter den Konsonanten ist n ein besonders wichtiger. Wer sich von der Tonhöhe einer Note überzeugen will, braucht nur die Probe auf n zu machen, d.h. ene auszusprechen und auf dem n selber mit fast ganz geschlossenem Munde - nur die Lippen sind geöffnet - lange zu verweilen und es mit etwas i darüber und etwas e darunter klingen zu lassen. Man wird dabei die Stellung der Nase sowie die dazu gehörige Gaumenstellung genau empfinden lernen, wird auch beobachten lernen, wie geschlossen alles im Munde bleiben muss und wie trotzdem - oder gerade darum der Brustklang der unteren Resonanz sowie die über dem Gaumen liegende für die Höhenklänge zur Entwicklung gelangen. Dieser Höhenklang über dem Gaumen, muss auf jedem Konsonanten resp. auf jedem Buchstaben im Tone mitklingen. Er ist auch gleichzeitig für den richtig gestellten geschossenen Vokal, der nach keinem Konsonanten aufgerissen - also nicht mit weit geöffnetem Munde gesungen werden darf, die Richtschnur des Brustklanges als des Höhenklanges der Note über dem Gaumen; vorausgesetzt, dass Kehlkopf, Brustmuskeln und Zwerchfell bei den Stellungen für Ton und Aussprache mit beteiligt sind und bleiben.

Wie langweilig ein Gesang ohne Silbentrennung ist, darüber wird man erst belehrt, wenn man das Konsonantentrennen gelernt hat. Der nasale Abschluss bringt schon wieder eine neue Färbung in den Gesang, mit dem man zu rechnen hat und außerdem wird das Wort weitaus verständlicher, besonders in weiten Räumen, wo es eine ganze Weile braucht, bis es dem Zuhörer übermittelt wird. Auch wird durch den nasalen Abschluss die ununterbrochene Verbindung der Buchstaben mit dem Ton - selbst wenn er eine Weile scheinbar aufhören müsste - gesichert.

Meine Schüler lehre ich alle so. Da aber die meisten etwas Unerhörtes in dem Zwange so aussprechen zu müssen erblicken, bringen sie es sehr selten zu der Kunstfertigkeit, in der es allein wirksam ist. Außer von Betz habe ich es nie von jemand gehört. Nach mir wird's überhaupt niemand mehr lehren. Ich dürfte die Letzte sein. Schade ! -

 

Kopfhöhlenresonanz [von Lilli Lehmann] Die Empfindung der Kopfhöhlenresonanz gibt sich hauptsächlich bei solchen kund, die der Kopftöne ungewohnt sind. Die Resonanz gegen die Kopfhöhlen übt einen sehr starken Reiz auf Kopf- und Gehörnerven aus. Aber das verliert sich, sobald die Gewohnheit angenommen ist. Nur mit klarem Kopfe kann man die Kopfstimme gebrauchen und sie durch den Atem dirigieren. Der geringste Druck, wie er bei Kopfschmerzen, Migräne, schlechter Gemütsstimmung vorkommt, kann von schlechtem Einfluss sein oder deren Gebrauch ganz unmöglich machen.

Durch regelmäßiges bewußtes Üben, bei dem jeder unnötige, störende Druck der Organe vermieden wird, verliert sich das Gefühl der Benommenheit oder des Schwindels.

Bei sehr hohen Kopftönen habe ich das Empfinden, als lägen sie weit über dem Kopfe, als setzte ich sie in der Luft an, und dennoch haben auch diese eine Verbindung mit Kehlkopf und Zwerchfell.

Hier ist auch die Erklärung für: im Nacken singen. Der Atem geht bei allen hohen Tönen, die viel mit Kopfstimme gemischt oder diese allein in Anspruch nehmen, sehr weit hinten, direkt aus dem Halse gegen die Kopfhöhlen und verursacht dadurch das Gefühl der Schiefstellung des Kehlkopfs, die oben angegebene Stimmempfindung.

Wer vorsichtig, d.h. mit Kenntnis der physiologischen Ursachen singt, ein- und ausatmet, wird immer ein Gefühl des Behagens empfinden, eine Schlankheit im Halse verspüren, als dehne sich der Hals nach unten und oben in die Länge. Das Heraustreten der Halsadern, wie man es so oft bei Sängern bemerken kann, ist so falsch als das Blähen des Halses, sieht sehr hässlich aus und ist Kongestionen halber nicht ungefährlich.

Bei schnellen Tonleitern hat man das Gefühl großer Festigkeit der Halsmuskeln, beim Trillern das einer gewissen Steifheit des Kehlkopfs. Ein haltloses Hin- und Herschwanken des letzteren würde dem Triller sowohl als schnellen Skalen ebenso wie der Kantilene unzuträglich sein. Aus dem Grunde, weil die veränderte Bewegung der Organe ganz unfühlbar und unhörbar zu geschehen hat, sie im Empfinden einer Schiebung mehr als einer Bewegung gleichen soll. Bei schnellen Tonleitern muss schon der unterste Ton auf den obersten hin eingestellt und beim Heruntersteigen die größte Vorsicht angewandt werden, auf dass die Töne nicht einzeln herunterpurzeln, sondern aneinandergeschoben klingend empfunden werden, indem man sie an die oberste Tonform bindend, gegen die Nase zu herunter, in der Empfindung höher schiebt.

Dabei müssen alle funktionierenden Stimmwerkzeuge eine oft sehr starke Muskelkontraktion festhalten können, die Form zueinander gespannt bleiben. Und in dieser Spannung muss ein oder das andre Stimmorgan wie Kehlkopf, Zunge, Zwerchfell, Gaumen oder Nase, besonders elastisch oder besonders kräftig funktionieren, je nach Bedürfnis des Akzents oder der physischen Disposition des Sängers. Nur durch langjähriges, sorgfältiges und regelmäßiges Studium ist es nach und nach zu erringen. Das übermäßige Üben nützt nichts, nur das regelmäßige und vernünftige, und nur Erkenntnis der Fehler kann den Erfolg bringen. -

Niemals darf die Kontraktion krampfhaft werden, zum Druck übergehen, den die Muskeln auf die Dauer nicht ertrügen. Sie müssen aller notwendigen Stärke zugänglich, doch elastisch bleiben, um sich bequem lösbar oder wieder kontrahierend jeder Nuance bereitwillig zu fügen, die der Sänger mit seinen Tönen und Akzenten vorzunehmen gewillt ist.

Man kann nur Herr seiner Stimme und Ausdrucksmittel werden und bleiben, solange man täglich bewusste Stimmgymnastik betreibt. Nur so erlangt man unbedingte Herrschaft über seine Muskeln, und mit ihr über den kostbarsten Kontrollapparat der Schönheit seiner Stimme sowie der Gesangskunst überhaupt.

Die Stimmwerkzeugsmuskeln so auszubilden, dass ihre Kontraktions- und Auflösungsfähigkeit uns in allen erwünschten Stärke- und Schwächegraden auf der ganzen Stimmskala zu Gebote stehen, machen den Meistersinger.

 

Kopfstimme [von Lilli Lehmann] Wie oft schon hörte ich junge Sänger sagen: „Meine Mittel reichen nicht mehr aus", während es nur an ungenügend benutzter Kopfhöhlenresonanz lag. Man sollte nie vergessen, dass, da die Lagen wechseln, die Stellung der Organe auch nicht dieselbe bleiben kann.

Die Kopfstimme bedeutet für alle Stimmen, vom tiefsten Bass bis zum höchsten Sopran, abgesehen davon, dass sie die Höhe jedes einzelnen Tones auf der ganzen Stimmskala liefert, die Jugend. Eine klanglose Stimme eine alte Stimme. Den Zauber der Jugend, die Klangfrische, gibt die klingende Höhe eines jeden Tones. Höhe, Jugend, Frische der Stimme = e und i.

Die Kopfstimme (Kopfhöhlenresonanz) so zu verwerten, dass jeder Ton tragfähig ist und hoch genug bleibt, um weitere bequem erreichen zu können, ist eine schwierige Kunst, ohne die man aber auf eine Haltbarkeit der Stimme nicht rechnen kann. Unbewusst oft ausgeübt, durch Unachtsamkeit, Irrlehre oder Unkenntnis in Verlust geraten, ist sie kaum je wieder oder nur mit großen Opfern von Zeit, Mühe und Geduld zu erlangen.

Die reine Kopfstimme (die dritte Lage) ist in ihrer natürlich angeborenen Dünne das Stiefkind fast aller Sänger. und Sängerinnen, dessen Stiefeltern, in des Wortes schlimmster Bedeutung, die meisten Gesanglehrer und -lehrerinnen sind. Sie wird gebildet durch das gänzliche Zusammenziehen des Gaumensegels, indem die weichste Stelle des Gaumens - hinter der Nase - sehr hoch, scheinbar in den Kopf hinauf, bei höchster Lage darüber hinaus gezogen mit i über den Kopf hinaus gedacht und gesungen wird.

Der Zungenrücken steht hoch, und auch der Kehlkopf steht im Gefühl hoch und weich unter der Zunge. Alle Organe bleiben elastisch, nichts darf gekrampft oder übertrieben werden.

Bis zu einer gewissen Höhe sollte bei Tenor sowie Sopran die Kopfstimme mit Brustresonanz gemischt sein. Beim Tenor versteht es sich von selbst, obwohl dort sehr auf die Bruststimme hin gesündigt wird, bei Sopran aber dürfte sich oft eine weise Mischung empfehlen, da seit Wagner für die Ansprüche des Sinns der Kompositionen resp. Dichtungen ein stärkerer Ausdruck nötig ist als für das Brillantfeuerwerk früherer Tage. Auch die Kopfstimme soll kein abgegrenztes Register für sich allein bilden. Steht sie plötzlich unvermittelt - ich meine unverbunden mit Brust- und Gaumenresonanz - nach vorhergegangenen forcierten Tönen der hohen Mittellage, so hebt sie sich selbstverständlich dünn und unvorteilhaft - wie jede scharf abgegrenzte Lage - von der Mittellage ab. Es sollen eben in der Stimmbildung keine Register existieren oder geschaffen werden, die Stimme muss in ihrem ganzen Umfang ausgeglichen sein: Damit ist aber nicht gesagt, dass ich weder mit Bruststimme noch mit Kopfstimme singen soll. Der ausübende Künstler soll im Gegenteil sich verschiedener Ausdrucksmittel - je nach dem notwendigen Ausdruck auf einzelnen Tönen an den gewöhnlichen Registergrenzen und darüber hinaus bedienen lernen. Darauf muss beim Studium ebenfalls gesehen werden, doch kann dies Studium, weil es sehr individuell ist, und vom Genie oder Talent des Betreffenden abhängt, nur vom guten Meister angegeben und geleitet werden.

Die Kopfstimme ist, ihrem Werte nach bemessen, der größte Schatz aller Sänger und Sängerinnen. Sie sollte nicht als Aschenbrödel oder allerletztes Hilfsmittel - wie dies so oft zu spät und dann oft erfolglos geschieht, weil es zu lange Zeit beansprucht, bis sie wieder gewonnen ist -, sondern als Schutzgeist, als Führerstab angesehen, gehegt und gepflegt werden wie kein anderer. Ohne ihre Mithilfe ist jede Stimme ohne Glanz, ohne Tragfähigkeit, ein Kopf ohne Hirn. Nur durch das immerwährende Hinzuziehen derselben zu allen anderen Lagen ist der Sänger im Stande, seine Stimme frisch und jugendlich zu erhalten. Ihrer sorgsamen Verwendung allein verdanken wir die allen Anstrengungen Trotz bietende Widerstandsfähigkeit. Durch sie allein vermögen wir ein vollständiges Gleichmaß des ganzen Stimmumfangs aller Stimmen und deren Ausdehnung herbeizuführen.

Das ist das große Geheimnis derjenigen Sänger, die ihre Stimmen bis ins höchste Alter jung erhalten. Ohne sie gehen alle Stimmen, die großen Anstrengungen ausgesetzt sind, bedingungslos zugrunde. Deshalb heißt es immer und immer üben, sich seiner Mittel versichert zu halten, das üben macht die Stimme frisch, die Muskeln stark und ist für den Sänger bei weitem interessanter als irgendeine Komposition.

Wie schon früher gesagt, können mit reiner Kopfstimme, ohne Beimischung von Brustresonanz, fast grenzenlose Höhen erreicht werden. Besonders vermögen es ganz junge Stimmen, die aller Anstrengung bar, die notwendige Anlage und Geschicklichkeit besitzen, welche sich auf die Organstellungen von Kehlkopf, Zunge und Gaumensegel zueinander beziehen. Eine Geschicklichkeit, die, sobald sie mit Unkenntnis des Phänomens verbunden ist, blinder Zufall genannt werden muss und deshalb oft ebenso rätselhaft verschwindet, als ihr Begegnen dem Lehrer oder Zuhörenden rätselhaft erscheint. Wie oft ist sie mit der größten Ungeschicklichkeit gepaart, andere als die höchsten Kopftöne zu erzeugen. Gewöhnlich haben sie ein sehr kurzes Leben, weil die Eigentümer von den Lehrern als Wundertiere hinausgestellt werden, noch ehe sie eine Ahnung von Stimmgebrauch, Gesang, Ton und Ursachen haben. Ein falscher Druck der Muskeln, eine schlechte Zungenbewegung, ein Stärkermachenwollen des Tons, alles das bläst dem Wundertier gar schnell für alle Zeiten das Lämpchen aus.

Wir Lehmanns Kinder sangen in unserer Jugend in die höchsten Höhen hinauf. Meiner Schwester Marie war's eine Kleinigkeit, das viergestrichene c 100 Mal hintereinander anzuschlagen und lange darauf zu trillern. Sie hätte sich mit 7 Jahren schon hören lassen können. Da unsere Stimmen aber, durch unsere Lebensverhältnisse gezwungen, frühen Anstrengungen ausgesetzt waren, verloren sich auch die immensen Höhen, doch blieb immer noch genug übrig, um die Königin der Nacht mit dem hohen f zu singen.

Man soll nur nicht denken, die reine Kopfstimme habe keine Kraft. Sie ersetzt durch Klang, wenn sie richtig verwandt wird, alle Kraftanstrengung, und mit Brustmuskel und Zwerchfellspannung gehalten, kann sie kolossal starke Töne erzeugen.

Sobald die Kopfstimme wo immer in Betracht kommt, soll man nie ein offenes a singen wollen, weil auf a die Zunge am plattesten liegt. Man soll an e und i denken, e und i mit u mischen und dadurch die Position hervorrufen, die den Weg frei macht, um den Kopfhöhlen den Atem zuzuführen.

Sänger, die hingegen e und i zu scharf sprechen, brauchen bloß u einzumischen, stellen dadurch den Kehlkopf tiefer, wodurch Vokal und Ton sich dunkler färben.

Da der rückwärtige Atemstrom auf den hohen Tönen furchtbar schnell kreisende Wirbel verursacht - je höher, je schneller-, wird durch den geringsten Druck, der die Form verletzt, die Ruhe des Tons, dessen Höhe, vielleicht der ganze Ton in Frage gestellt. Jeder hohe Ton muss unbelästigt schweben, wie die Höhe eines jeden Tones überhaupt.

Bass und Bariton begrenzen ihre Stimmen nach der Höhe mit f, fis; g, also mit gemischter Stimme. Niemals werden reine Kopf-, d.h. Falsetttöne darüber verlangt. Für unbedingt notwendig halte ich es aber für jeden Gesangskünstler, dass er sich Rechenschaft von seinem Falsett gibt, um es bewusstvoll seinem Können einzuverleiben. Weder Bass noch Bariton sollten versäumen, ihm die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken und es als wichtigsten Hilfsfaktor gebrauchen lernen.

Mit welcher Meisterschaft übte Betz es aus, wie klang seine Stimme edel und schön in allen Lagen, wie gleichmäßig kräftig und unfehlbar frisch. Und man glaube nur nicht, dass er es von Natur so mitbekommen hatte. Als Anfänger konnte er in Berlin gar nicht genügen. Man stellte ihn vor die Alternative, sich entweder sehr zu befleißigen, oder ein anderes Engagement zu nehmen, da ein Vertreter für ihn bereits in Aussicht genommen sei. Betz zog vor fleißig zu sein, fing auch an Cello zu spielen, lernte hören und schwang sich schließlich zu unserm ersten Meistersinger empor, der uns in vielen Rollen unvergesslich bleiben wird. Betz konnte gleich mir noch manches, was heute weder mehr gelehrt noch gelernt wird. (Siehe Aussprache.)

In Berlin hatte ich mir öfter den Scherz erlaubt, als Mathilde im Tell, in einer Kadenz das hohe des mit (voix mixte) - gemischter Stimme - zu halten, dann den schon abgenommenen Atem nochmals abzunehmen, den Mund langsam zu schließen und so, im abgeschlossenen Raum, den ununterbrochenen Ton weiterklingen zu lassen. Ich erinnere mich, wie sich das Publikum im Parkett plötzlich umsah, weil es meinte, ein Echo zu hören, dem mein Ton allerdings auf ein Haar glich. Man kann in schnellen oder langsamen Läufen bis zum hohen d, es, e, f sogar, immer noch eine gewisse Spannkraft, welche durch die E-Aussprache Nase, Kehlkopf, Brust und Zwerchfellmuskeln verbindet, innehalten; natürlich mit stillstehender Atempresse, d.h. abnehmendem Atemstrom. (Schnelle Läufe hingegen müssen sogar ungeheuer starke Spannungen halten, wenn man sie mit Schwung machen will.) Der geringste Atemdruck aber würde den allerhöchsten Tönen sofort den Garaus machen.

Es vermindern sich also bei übermäßigen Höhen der höchsten Kopfstimme die stärksten Atemspannungen und Gegenspannungen des Zwerchfells, doch bleibt die Form bestehen. Die Zunge liegt breit und bequem - man spricht je höher man gehen will unter der Zunge rückwärts im Rachen viel i, das aber nie gedrückt werden darf, unter welchem man sich sogar noch ein weiches U denken kann. Beim Heruntergehen der Skala oder des Laufes aber wird das oben so weich gehaltene i nach und nach wieder mit kräftigerem j und e unterlegt, höher gegen die Nasenwand gedrängt, und bedeutend erhöht, weil die herunterführenden Töne leicht zu tief werden, wenn der Sänger sie sich als hinunterführend vorstellt. Ein jeder der herunterführenden Töne muss doppelt erhöht werden, sei's durch mehr i-Spitze, oder Weichheit, oder Engigkeit gegen die Nase. Dann wird auch das e nach und nach stärker gegen die Atempresse gesprochen und dient, da es nach hinten erhöht also schmäler wird, gleichzeitig als Stütze dem i beim Hinabsteigen.

Um nun wieder auf die allerhöchsten Kopftöne zu kommen, die man am besten mit ganz geschlossenem Munde findet, so werden diese aus der allerhöchsten voix mixte geboren, in denen man nur noch ganz fein, d.h. senkrecht, schmallinig die Zwerchfellverbindung mit der Nasenstellung und dem Kehlkopf verspürt. In der Brust und Atempresse ist es ganz still und starr geworden, dort darf sich nichts mehr vordrängen noch regen. Auch der Kehlkopf darf kaum mehr e aussprechen, alles ist auf das weichste i gestellt in einer langen zusammenhängenden, stillstehenden Form. Es sind beinah nur noch Gedanken an e, ji und u übriggeblieben, welche die zarteste Arbeit auf erstarrter Atempresse, also völlig abgenommener Atemkraft übernehmen. Bei aller Zartheit hat das unaufhörlich auszusprechende i den Ton sowie den hinten aufströmenden Atem in seinem Lauf zu unterhalten.

Der Kehlkopf stellt sich weich und breit unter die ebenso weiche, der Tonhöhe bequem liegende Zunge. Beide schließen sozusagen: den Rachen vom Brustkorb und dem Halse ab, ganz weich, ohne stärkere Spanngefühle, die auch kaum der Gaumen mehr zu leisten scheint und dennoch allseitig geleistet werden müssen. Es schwingt nur sehr wenig hinten aufsteigender Atem an die Kopfhöhlen, der aber noch wunderbar feine Violintöne, und bei geschlossenem Mund - das ich die „Echoform" nennen möchte - wie aus weiter Ferne herüberklingende Sphärenmusik zu Gehör bringt Man kann solche Töne lange aushalten, ja sogar mit langsam zu öffnendem Munde und deutlicherem Aussprechen etwas Körper in den Ton bringen und durch e und i mit viel Geschicklichkeit sie wieder in gemischte Stimme - voix mixte - vorsichtig umwandeln. Was könnte man nicht alles, wenn man lange genug lebte!

Mit diesen obersten Kopfresonanzen singe ich noch heute bis ins höchste a und b hinauf, wenn ich nicht gerade sehr katarrhalisch bin, und kann sie oft hintereinander anschlagen, auch mit geöffnetem Munde, was ich meinen Schülern oft genug schon vormachte, ohne mich der Echoform zu bedienen. Alle meine Schülerinnen, selbst Altistinnen, singen die große Skala auf ihrem ganzen Umfange bis zum hohen f und g hinauf langsam auf und ab. Eine junge Sopranistin bringt dabei im staccato prachtvolle starke Flageolettöne durch ihre Eigenart zustande, dass sie ihren mir sonst nicht genügenden Vokal a, sehr weich am Gaumen hochfährt bis in die höchsten Lagen.

 

Kostüme [von Richard Wagner] Mich interessierte es namentlich zu erfahren, dass die Direktion sich über das Kostüm meines Dramas sofort eifrig ins Klare zu setzen suchte; ich war erstaunt zu hören, dass dieses "orientalisch" ausfallen sollte, während ich durch die Wahl meiner Namen genau den nordischen Charakter desselben bezeichnet zu haben glaubte. Mit höchster Entrüstung kämpfte ich gegen das unausstehliche Turban- und Kaftan-Kostüm, und reklamierte energisch die Rittertracht des allerentferntesten Mittelalters.

 

Kranichfeld, Joachim  Kantor der Dreikönigskirche Dresden 1595-1625.

 

Kraft [von Lilli Lehmann] Selbst in den größten Affekten darf man die Möglichkeit der Selbstkontrolle nicht verlieren, sich nicht verleiten lassen, schlampig, d.h. unachtsam zu singen, oder gar über seine Kraft resp. an deren äußerste Grenze zu gehen. Das würde gleichbedeutend sein mit Roheit, die in jeder Kunst, vor allem in der Gesangskunst, ausgeschlossen sein sollte. Der Zuhörende muss bei jedem Ton, bei jedem Ausdruck des Sängers das angenehme Gefühl empfinden, es könne, je nach Belieben, noch viel mehr gegeben werden.

Kraft darf nicht mit Roheit verwechselt werden, nicht beide Hand in Hand gehen. Übermenschen dürfen sich erlauben, über die Kräfte anderer zu steigen, was andern aber versagt bleiben muss. Es darf nicht Schule machen und bleibt am besten auf die einzelne Erscheinung beschränkt. Wir würden sonst gar bald auf dem Punkte des krassesten Realismus ankommen, von dem wir ohnehin nicht weit entfernt sind. Roheit wird niemals eine künstlerische Berechtigung haben, selbst nicht in der größten Individualität, weil sie beleidigt.

Das Publikum soll von der darstellenden Kunst nur Gutes, Edles sehen, um sich daran zu bilden, nichts Rohes oder Gemeines, an dem es ein Beispiel zu nehmen sich für berechtigt halten dürfte.

[siehe auch "Bruststimmen"]

 

Kreischen [von Tosi, 1723]  Je höher die Töne sind, desto sanfter müssen sie angegeben werden, um das Kreischen zu vermeiden.

 

Kreuchhof, Sebastian  1668 Kantor in Hartenstein.

 

Kritik [Wiener allgemeine Musik-Zeitung, 1846] Neues Mittel, sich vor dem Tadel der Kritik zu schützen. - Man gehe in das Kaffeehaus oder in den Leseverein, wo das Blatt, welches einen gerechten Tadel ausspricht, aufliegt, stehle das Blatt und glaube dann, es habe niemand anderer sonst es mehr. Approbatum est.

 

Künstler [von R. Schumann] Licht senden in die Tiefe des menschlichen Herzens ist des Künstlers Beruf.

 

Kunst  Ars non habet osorem, nisi ignorantem. (Nur der Ungebildete ist der Kunst abhold.)

 

Kunstgesang [von Lilli Lehmann] Worin besteht der Kunstgesang? - In genauer Kenntnis des Ein- und Ausatmens insbesondere. In Kenntnis der durch Kehlkopfstellung, von Nase, Zunge und Gaumen präparierten Form, die der Atem zu durchlaufen hat.

In Kenntnis und Bewußtsein der Bauch- und Zwerchfellmuskelfunktionen, welche die Atempresse bilden. Dann der Brustwiderstandsmuskeln, gegen die der Atem gepresst wird, von wo aus er für den Sänger kontrollierbar, auf einem Umwege durch die Stimmbänder geleitet, an die Resonanzflächen und die Kopfhöhlen schwingt.

In der außerordentlichen Geschicklichkeit und Beweglichkeit, alle Stimmwerkzeuge zu stellen und in unendlichen Nuancen zu bewegen, ohne beim Aussprechen von Worten oder musikalischen Figuren Veränderungen zu erzeugen, die der Tonschönheit (resp. der vollendeten Gesangskunst) schädlich wären.

In einer ungeheuren Muskelkraft sämtlicher Stimmwerkzeuge und Atmungsorgane, deren Stärkung zu andauernden Anstrengungen gar nicht lange genug vorbereitet werden kann, deren Übung, solange man öffentlich singt, keinen Tag versäumt werden darf.

Wie Schönheit und Haltbarkeit des Tones nicht in Stärke des Atemdrucks besteht, so besteht auch die Muskelkraft derjenigen Organe, deren man zum Singen bedarf, nicht in festgepresster Krampfhaftigkeit, sondern in jener schlangenartig elastischen Kontraktions- und Auflösungsfähigkeit, die ein Kunstsänger mit vollstem Bewusstsein beherrschen muss. Das dazu notwendige Studium füllt ein ganzes Leben aus. Nicht nur weil der Sänger sich in seinen Repertoirerollen - auch nach jahrelangem Vorführen derselben - immer mehr vervollkommnen muss, sondern weil er weiterstrebend sich Aufgaben zum Ziele zu setzen hat, deren Bewältigung noch größeres Können, noch größere Kraft erfordert und somit ein neues Studium beansprucht.

 

Kutzschenbach, Dr. Erdmann von  Oberspielleiter, Nr. 29054, am Städtischen Theater Leipzig.

 

 

www.maxhoerberg.de