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Vakanz [von Leopold Mozart] Obgleich die Marchand Gredl mit dem größten Beifall in der Operette gespielt und gesungen, so ist in München doch keine Hoffnung für sie, weil die August Wendling jetzt die Geliebte des Grafen Seeau ist.

Verbotenes [von Heinrich Schütz] Ein Sänger soll nicht die Lippen aufwerfen, noch den Mund krümmen, noch die Wangen und Nase verstellen wie die Meerkatzen, noch die Augenbrauen zusammenschrumpfen, noch die Stirn runzeln, noch den Kopf oder die Augen darinnen herumdrehen, noch mit denselben blinzeln, noch mit den Lefzen zittern.

Verfall der Gesangskunst [von Auguste Götze, 1875] Über den Verfall der Gesangskunst - "Die frühere, wahre, große Gesangskunst ist verfallen! Die Traditionen der alten Italiener sind verloren!" Diese Klage geht schon seit Dezennien auf musikalischem Gebiet von Mund zu Munde, und leider ist es eine traurige Wahrheit: die Gegenwart bringt nur noch in den seltensten Fällen wirkliche Gesangskünstler hervor! - Was nun aber ist es um diese sogenannte: "verlorene Tradition der Italiener?" Ist sie ein unwiederbringlich verlorener Schatz? ein auf ewig versenkter musikalischer Nibelungenhort, den aus seinen unergründlichen Tiefen wieder ans Licht des Tags zu ziehen, wir keine Zauberformel mehr besitzen? Nein, Gott sei Dank, nein! Der Schatz ist kein für alle Zeiten verlorener und heute wie immer wäre es jedem vergönnt, ihn zu heben, der mit festem Wollen danach suchte, denn: "dieser Schatz, diese verloren gegangene Tradition ist ja nichts anderes als: Fleiß, Ausdauer, Geduld, Ernst und Arbeit beim Studium, Eigenschaften, die unserer heutigen singenden Generation leider fast ganz abhanden gekommen sind." Zwischen diesem Jetzt und dem Einst des gesangskünstlerischen Treibens eine Parallele zu ziehen, ist der Zweck dieser Zeilen.

Ich betrachte zuerst die Art und Weise, in der die Sänger aus jener alten goldenen Zeit der Gesangskunst ihre Studien gemacht haben. - Wenn dieselben sich insoweit stimmbegabt zeigten, um zum Zweck ihrer gesanglichen Ausbildung in die altberühmten Schulen und Konservatorien, wie sie Rom, Neapel, Bologna, Venedig etc. besaßen, aufgenommen zu werden, so durften sie nicht daran denken, diese Schulen vor Ablauf von 8-10 J. ernstester gesanglicher und musikalischer Studien zu verlassen. Nachdem sie sich eine solide umfassende musikalische Bildung angeeignet und ein oder mehrere Instrumente - oft bis zur Virtuosität - spielen gelernt, begann langsam und systematisch die Entwicklung der Stimme und deren Technik. Jahre und Jahre wurden verwendet auf das Erlernen eines fehlerfreien Tonansatzes, reiner Intonation, auf Ausgleichung der Stimmregister, auf leichte Beherrschung des Tons in allen Stärkegraden, dann auf jene wichtige Eigenschaft: weise Sparsamkeit und richtige Einteilung beim Verbrauch des Atems, sowie zuletzt auf Geläufigkeit und brillante Fertigkeit der Stimme, welche sich, auf solchen Grundlagen errichtet, oft zu einer eminenten und staunenswerten entwickelte. Erst dann, wenn alle diese Eigenschaften einer vollendeten Gesangsweise systematisch und harmonisch herausgebildet waren, traten jene alten Sänger vor das Publikum, welches damals - nur an technisch Fertiges und wahrhaft Künstlerisches gewöhnt - ein würdiger und maßgebender Richter war, den weder Macht und Glanz der Stimme, noch routinierte Keckheit des Auftretens über den Mangel einer künstlerischen und musikalischen Ausbildung zu täuschen vermochte. Jene Sänger nun, die mit sicherer und gefestigter Technik ihre ersten Schritte in die Öffentlichkeit taten, konnten, weil ihnen das Forcieren und Übernehmen ihres Organs zur Unmöglichkeit geworden war, dasselbe lange Jahre in ungeschwächter Kraft bewahren und entzückten selbst noch im Alter durch die wunderbar geschmeidige Kunstfertigkeit ihrer Kehle. Unserer jetzigen Sängergeneration wird es schwer, nur zu begreifen und zu glauben, was einst ein Bernacchi, ein Buranello, ein Caffarelli, ein Farinelli etc. mit ihrem Stimmmaterial zu leisten im Stande waren; Caselli und Sassarelli machten mit Leichtigkeit Kadenzen von 50 Sekunden Dauer, Ferri lief mit einem einzigen Atemzug 2 Oktaven in aneinander laufenden Trillern auf und ab; und was Farinelli in jenem oft erzählten Wettstreit mit dem Trompeter an Fertigkeit und riesiger Aushaltungsfähigkeit des Atems leistete, ist allbekannt; mit welchem Fleiß, mit welcher Ausdauer, mit welch' eiserner Energie musste solche Kunstfertigkeit errungen werden! Die aus solchen Studien und Schulen hervorgegangenen Sänger lebten aber nicht nur in der schönen Mission: die Welt mit ihrem Gesange zu entzücken, sondern auch der hohen und segensreichen: ihre Kunst lehrend auf ihre Schüler fortzupflanzen. Sänger von so vorzüglicher, durch bewusstvolle Studien errungener Meisterschaft, mussten selbstverständlich auch Meister als Lehrer sein. Jene Zeit war nicht wie die unsere überflutet von Legionen an Gesangsschulen, die alle totes Material sind, sobald nicht Wort und Beispiel des Lehrers es belebt, aber sie war unverhältnismäßig reicher an wahren Gesangskünstlern, denn jene alten großen Sänger belehrten singend ihre Schüler und vermochten es, durch ein ideales Tonbild den Eifer der Nachstrebenden zu befeuern und vor Irrtümern zu bewahren. So pflanzte sich damals eine künstlerisch vollendete Gesangsweise vom Lehrer auf den Schüler und so wieder weiter fort. Interessant ist es, was uns Angellini Bontempi über die damalige Studienweise an der päpstlichen Sängerschule zu Rom, die auch Farinelli gebildet hatte, in Folgendem erzählt: "Die Schüler der römischen Schule waren verbunden, sich täglich 1 St. in schweren Intonationen zu üben, um Leichtigkeit in der Ausführung zu erlangen; eine andere St. wandten sie zur Übung des Trillers an, eine andere zur Übung geschwinder Passagen, eine andere verwendeten sie auf die Literatur und noch eine andere zur Bildung des Geschmacks und Ausdrucks, alles in Gegenwart des Meisters, der sie anhielt, vor einem Spiegel zu singen, um jede Art von Grimmasse oder unschicklicher Bewegung der Muskeln, entweder durch Runzeln der Stirne, oder durch Blinzeln der Augenlider, oder durch Verzerren des Mundes zu vermeiden. Dies alles war nur die Beschäftigung des Morgens. Nachmittags wandten sie 1/2 St. auf die Theorie des Schalles, eine andere auf den einfachen Kontrapunkt, 1 St. auf die Erlernung der Regeln, welche ihnen der Meister von der Komposition gab und auf die Ausübung derselben auf dem Papier, eine andere auf die Literatur und die übrige Zeit des Tages auf das Klavierspiel, auf die Komposition eines Psalms, einer Motette, eines Liedes, oder irgendeiner anderen Arbeit, die dem Genie des Schülers gemäß war."

Vergleichen wir nun diesen kurzen Überblick des Studienplans jener römischen Schule mit der Art und Weise, in welcher unsere Sänger der Gegenwart sich in ihre öffentliche Karriere hineinstürzen, so kann uns auch kein leiser Zweifel mehr über die eigentliche Bedeutung jener so mystisch klingenden Worte: "von der Tradition der Italiener" bleiben. - Zeigt sich heutzutage Talent und Stimme und eine auch sonst dem Künstlerberuf entsprechende Begabung, so werden nicht die nötigen Jahre und Mühen des Studiums, sondern nur der möglichst rasche Abschluss eines glänzenden Bühnenkontrakts ins Auge gefasst. Während jeder, der zur Künstlerschaft auf irgendeinem musikalischen Instrumente gelangen will, es ganz natürlich findet, dieses Instrument lange Jahre - meist schon in der Kinderzeit beginnend - zu kultivieren, ehe an ein öffentliches Produzieren gedacht werden kann, erschrecken die heutigen Gesangsaspiranten aufs heftigste, wenn man ihnen die Perspektive eines 3- bis 4 jährigen Studiums eröffnet; und doch: "wie viel öfteren Störungen sind die Übungen eines Sängers durch Indispositionen und Heiserkeiten unterworfen als die des Instrumentalisten." Trotz alledem aber erscheinen unsern jungen Sängern 4 J. des Studiums als eine unerträgliche, qualvolle Ewigkeit! Nein, nichts von langem Studium! Nur rasch hinaus ins öffentliche Wirken und Glänzen! Das ist die Sänger-Devise unserer Zeit, dieser Zeit der Eisenbahnen, Telegraphen und Gründer, kurz des raschen, unnatürlichen Verdienens, des Verdienens ohne Dauer und Segen, Tonbildung, Ausgleichung der Register, reine Vokalisation, Beherrschung und richtige Einteilung des Atems, Portamento der Stimme, musikalisches Wesen etc. - wie unnötig ist doch das alles! In unserer Zeit bedarf es nichts weiter als Stimme, gute Lungen und - falls Aspirantin eine Dame - ein gewinnendes Äußeres und glänzende Toiletten. Sind diese Requisiten beisammen, so gilt es nur noch, in möglichster Schnelligkeit die möglichste Tonstärke zu erzeugen, - gleichviel auf welche anstrengende Weise -, dann werden rasch Partien studiert - und nun hin auf die Bühne, auf das ersehnte Feld der Wirksamkeit! Dort stellt sich leider die traurige Tatsache heraus, dass unser Publikum nicht mehr, gleich dem der früheren Zeiten, im Stande ist, künstlerische Behandlung der Stimme von einer rohen, ungebildeten Verschwendung des Tons zu unterscheiden, und es tritt gegenwärtig fast immer und überall der traurige Umstand ein, dass ein mächtig und laut erschallender Schlusston, ein mit Verve herausgeschleudertes hohes c (dieses hohe c, das heutzutage Publikum wie Intendanten in einen wahren Entzückungsrausch versetzt und die unglaublichsten Gagenforderungen machen kann) wahre Beifallssalven hervorruft, auch wenn die vorhergehende Arie noch so mangelhaft und unfertig gesungen wurde. Ob unsere jungen Agathen in den Schlusstakten des Gebets der großen Arie 3-4 mal Atem nehmen - ungefähr so: Mein | Gebet | zur | Himmels | halle, oder ob sie im 19. Takte der Kavatine: "Und ob die Wolke" das hohe as so heftig, unvorbereitet und fest einsetzen (weil eine leichte, bewusstvolle Behandlung des Tons gar nicht mehr erstrebt wird), dass sie es sehr oft nicht die vorgeschriebenen 9/8 aushalten können, das alles kümmert unser Publikum wenig; sieht die Agathe hübsch aus, klingt die Stimme einigermaßen sympathisch und werden die letzten Schlusstakte, besonders das h mit Kraft und Verve herausgeschleudert, so bricht fanatischer Beifall los. - Diese anscheinende Liebenswürdigkeit des Publikums aber ist nicht das Glück - nein sie ist der Verderb unserer angehenden dramatischen Sänger; vom irreleitenden Beifall bestochen, glauben sie nichts anderes mehr anstreben zu sollen, als mit möglichster Tonstärke "loszulegen", wie der übliche Ausdruck es bezeichnet. Eine weitere feinere gesangliche Entwicklung wird immer mehr aus dem Auge verloren, da man auch ohne diese das Publikum befriedigt, ja enthusiasmiert; da wird denn nun "losgelegt", so kräftig und unvorsichtig, bis gar bald erst das Singen und dann zuletzt nicht einmal das Loslegen mehr geht. Die anfangs so verheißungsvoll lächelnde Karriere verwandelt sich rasch in eine Misere voll bitterer Enttäuschung und die sich meist schon nach einer Tätigkeit von wenig Jahren mit gebrochener, übermüdeter und zerstörter Stimme Zurückziehenden lernen zu spät einsehen, dass sie das verfrühte Glänzen und Karriere-machen-wollen mit der Enttäuschung und Verbitterung eines ganzen Lebens bezahlen müssen.

Aber nicht nur die einzelnen Individuen leiden unter diesen Zuständen, auch die Opern- und Kunstinstitute im Allgemeinen werden aufs Empfindlichste dadurch geschädigt. Hunderte von begabten, teils recht bedeutenden, vielversprechenden Talenten tauchen alljährlich auf und nur in den seltensten Fällen ringt sich eines bis zum Ziel wirklicher dauernder Künstlerschaft durch; die anderen entschwinden so rasch und meteorenhaft, wie sie erschienen, vom Kunsthimmel: ein trauriger Kontrast zu der langjährig ungeschwächten Leistungsfähigkeit jener alten italienischen Sänger, von deren Art und Stoff nur noch einzelne Gesangssterne, wie eine Garcia und Artôt in unsere Zeit hineinglänzen und von der entschwundenen Märchenpracht einer technisch vollendeten Gesangskunst erzählen. - Um nun bei der hier ausgeführten Parallele zwischen den Sängern der Vergangenheit und Gegenwart nicht ungerecht anzuklagen und zu verurteilen, sei gleichzeitig in Betrachtung gezogen, dass unsere heutige, viel mehr auf dramatische Akzente hin zugespitzte Oper eines Meyerbeer, Verdi, Richard Wagner etc. den Sänger allerdings weniger auf eine gesangliche Vollendung seiner Technik hinweist als die Melodien eines Mozart und Rossini, die eben gesungen werden müssen. Das ferner auch gerade unsere moderne Oper mit ihrem deklamatorischen Pathos, mit der Wucht ihrer vollen Instrumentation gar verführerisch den Sänger erregt zum Ausgeben eines fortwährend starken und mächtigen Tons, auch wenn er die Grenzen seiner physischen Kraft überschreitet; aber bei alledem bleibt es eine unumstößliche Wahrheit, dass sich Sänger, die gelernt haben, ihr Organ in wirklich künstlerischer Weise zu gebrauchen, selbst an Verdi und Wagner weniger rasch fertig singen als Naturalisten an Opern anderen Genres. Das zarte Organ einer Orgeni erträgt ungeschädigt die Wiedergabe Wagnerscher Frauengestalten, weil diese vorzügliche Künstlerin ihr Material sicher beherrscht und ihre Mittel mit weiser Mäßigung einteilt, während sich leider die größten, massivsten, prächtigsten Organe der jungen Sängerinnen oft schon in einem Jahr an diesen Opern Klang, Duft und Gesundheit des Tons fortsingen.

Aus solchen Erfahrungen erwächst unsern Jüngern und Schülern der Gesangskunst die heilsamste Lehre; möchten sie derselben ihr Ohr nicht verschließen! Möchte die junge Sängerschar die Worte: Zeit, Geduld, Fleiß, Ausdauer, Ausharren, eiserne Energie auf ihre Flagge schreiben und - die Tradition der Italiener wird nicht ferner verloren sein! - Soll das Wirken in unsern jetzigen großen Opernhäusern nicht verderblich für das Organ der jungen Sänger werden, so dürfen sie die Bühne erst mit sicher gefestigter Technik, mit ganz gewonnener Beherrschung ihres Materials betreten; wohlan so scheuen sie denn nicht länger eine Anzahl mühevoller Lehrjahre, damit auf diese dann auch die Meisterjahre folgen können; so erschrecken sie nicht ferner vor einem mehrjährigen Studium unter der Obhut eines vorsichtigen Lehrers und die so angewendeten Jahre werden bei der späteren Karriere goldene Zinsen tragen; und neben dem unschätzbaren Vorteil, sich den kostbaren Besitz der Stimme lange Jahre ungeschwächt bewahren zu können, trügen so künstlerisch gebildete Sänger das schöne Bewusstsein in sich, läuternd und veredelnd auf den Geschmack des Publikums wirken und dieses wieder zu sich heranziehen zu können; denn die Künstler sind es, die ihr Publikum bilden müssen und kehrten uns erste die Zeiten der vorzüglichen Gesangeskünstler wieder, so würde bald auch wieder ein gebildetes, kunstsinniges Publikum im Theater sitzen, das gerecht und an rechter Stelle seinen Beifall spendet.

Villazon, Rolando [26.03.2009] Tenor.  Zu seiner Stimmkrise um 2008: Dieser Sänger muss die Einheit seiner Stimme wieder herstellen. Dazu muss mittels des Schnarrregisters die Stimme wieder verankert werden. Hinzu müssen die entsprechenden Summübungen kommen. [April 2009] Händel-Arien: Die Koloraturen sind durch sein vorbildliches colpo di petto hervorragend. Das colpo di petto ermöglicht ihm auch das hohe C, das vielen Tenören fehlt, da sie diese Technik nicht beherrschen. Kritisch ist, dass er sich breitbeinig hinstellt, denn dadurch verliert er die Spannung.

Vitium anhelitus [von M. H. Fuhrmann, 1730] ist, wenn der Sänger das Maul zu voll nimmt und die Stimme nicht im Halse, sondern gleichsam in den Backen formiert.

Vitium aurium [von M. H. Fuhrmann, 1730] ist, wenn der Sänger dicke Ohren hat und bei Verfehlung des rechten Intervalls sich nicht nach dem Fundament gleichrichten und wieder bald in den rechten Ton kommen kann.

Vitium clausulae [von M. H. Fuhrmann, 1730] ist, wenn die Diskantisten oder Altisten oder Tenoristen am Ende des Gesanges nachquieken oder -bläcken, da der Bass das letzte Wort haben sollte.

Vitium conjunctionis [von M. H. Fuhrmann, 1730] ist, wenn der Sänger altväterische Bauern-, Bierfiedler-, Bockpfeiffer- und Leier-Koloraturen macht.

Vitium elocutionis [von M. H. Fuhrmann, 1730] ist, wenn der Sänger den Text nicht deutlich ausspricht, dass ihn niemand recht verstehen kann.

Vitium excessus [von M. H. Fuhrmann, 1730] ist, wenn der Sänger seine Stimme nicht mäßigt und die anderen alle überschreit.

Vitium gestuum [von M. H. Fuhrmann, 1730] ist, wenn der Sänger sich übel anstehende Gebärden im Singen angewöhnt und  z.B. mit Kopfdrehen, Augenverkehren, Maulaufreißen, Halsbeugen, Leibbrüsten usw. hässlich fantasiert.

Vitium gutturis [von M. H. Fuhrmann, 1730] ist, wenn der Sänger eine heisere, raue, bäurische Stimme hat und wie ein wilder Wald-Esel schreit.

Vitium mensurae [von M. H. Fuhrmann, 1730] ist, wenn der Sänger die Noten nach dem Takt nicht recht einteilt und singt oder den Takt mit dem Kopf winkt oder mit den Füßen stampft, dass die Harmonie und Fußstampfen fast gleich stark gehört wird.

Vitium permutationis [von M. H. Fuhrmann, 1730] ist, wenn der Sänger in der Höhe stark schreit wie ein Dieb an der Folter, in der Tiefe aber ganz leise fistuliert, als ein alt Mütterchen, der die Zähne ausgefallen und vice versa, wie die Falsettisten.

Vitium tremuli [von M. H. Fuhrmann, 1730] ist, wenn der Sänger eine steife Kehle hat und im Trilloschlagen meckert wie eine Ziege.

Vorschlag [von Lilli Lehmann] Die Resonanz wird nasal mit Zwerchfellspannung eingestellt, die Gelenkigkeit des Kehlkopfs, der - ohne Form und Resonanz zu alterieren - schnell auf- und niedersteigt, vollbringt die Tat allein. Man kann auch hier es beinah deuten, als sei der Gedanke genügend, denn die Verbindung der beiden Töne kann gar nicht eng und weich genug sein. Aber auch das muss bewusst geübt und gemacht werden.

Vortragskunst [von H. F. Mannstein, 1845] Was die Vortragskunst der heutigen Sänger anlangt, so ist davon nicht viel zu sagen. Die Komponisten müssen sich ganz auf sich selbst verlassen; was ihnen nicht gelingt, auf dem Papiere darzustellen, bleibt ganz sicher Staatsgeheimnis. Bei den Sängern heißt es heutzutage, wie bei den Juristen: Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt. Zwar treten dann und wann noch Sängerinnen mit einer gewissen Bildung auf, allein äußerst selten genügen sie den Ansprüchen der guten italienischen Schule, namentlich in der Vortragskunst.

Vorübung [von Lilli Lehmann] Alle, die Künstler werden wollen, sollten mit Studien über Tonerzeugung, Nasen-, Zungen- und Gaumenfunktionen beginnen: Mit deutlich weichem Sprechen aller Buchstaben, der Konsonanten insbesondere, und sich erst nach erlangter Vorbildung an praktische Gesangsübungen wagen.

Da würde sich Talent oder Talentlosigkeit bald zu erkennen geben. Vielen würden die Augen aufgehen über die Schwierigkeit der Gesangskunst, das Proletariat der Sänger müsste nach und nach verschwinden. Mit ihnen wohl auch die Gesangskonservatorien und schlechten Lehrer, die ihrer eignen Existenz halber alles, was kommt, unterrichten und allen versprechen, große Künstler aus ihnen zu machen.

Am besten würde es sich empfehlen, die Schüler vorbereitende Bücher direkt auswendig lernen und Zeichnungen entwerfen zu lassen. So dürften sich ihnen die Organe am besten einprägen und sie deren Funktionen empfinden lernen, sobald sie mit dem Singen begönnen. Strengen Prüfungen müssten die Schüler unterworfen sein.

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